Umgang mit Betroffenen

Wie den Kontakt zu betroffenen Patienten gestalten

Windmühle Ethische VerantwortungDie Frage, wie man mit betroffenen Patienten umgehen sollte, beinhaltet zunächst die Frage nach der ethischen Verantwortung - die Verantwortung als Verursacher, aber auch die als Berufsgruppe: Betroffene müsen aufgefangen und adäquat mit dem verursachten Schaden umgegangen werden.

Dieser Aspekt betrifft alle Beteiligte des Helfersystems: Ärzte, Psychotherapeuten, Pflegekräfte, Therapeuten... Menschen, die sich eigentlich in der Helferrolle sehen, müssen sich spätestens dann, wenn sie Betroffene vor sich haben, damit auseinandersetzen, dass sie nicht nur Fehler machen, sondern ihren Patienten auch Schaden können. Der Fehler bekommt ein Gesicht. In dieser Form der Konfrontation mit dem Themenbereich Fehler und eigene Fehlerhaftigkeit, werden Behandler unter Umständen mit ihrer eigenen Auseinandersetzung konfrontiert. Hier liegt eine Gefahr, dass diese eigene Auseinandersetzung zu dessen Nachteil auf den Patienten übertragen wird.

In Bezug auf den eigentlichen Umgang mit betroffenen Patienten gibt es zwei Phasen, die sich in einigen elementaren Punkten gar nicht so sehr unterscheiden, wie man zunächst denken mag: der Umgang unmittelbar nach einem aufgetretenen Fehler und der unter Umständen sehr viel spätere Kontakt als Nachbehandelnder.

SicherheitFür beide Situationen sollte an oberster Stelle stehen, dem Patienten ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln: einerseits, weil ein traumatisierter Patient zum Eigenschutz die Wiederherstellung dieses Sicherheitsgefühls dringend braucht, andererseits weil ein hohes Maß an Unsicherheit die Mitwirkung bei künftiger Behandlung zumindest schwer beeinträchtigt wenn nicht verumöglicht.
 
WahrhaftigkeitFür Verursacher von Fehlern (einschließlich der Organisation, in der sie arbeiten) ist Wahrhaftigkeit die Konsquenz aus ihrer Verantwortung und bedeutet offen gegenüber dem Patienten zu sein. Dies betrifft die Aufklärung über das, was passiert ist, genauso wie über den aktuellen Gesundheitszustand. Eine derartige Aufklärung ist übrigens nicht gleichbedeutend mit einem persönlichen Schuldeingeständnis! Für Nachbehandler hat Wahrhaftigkeit insbesondere da eine Bedeutung, wo sie selbst der Versuchung erliegen könnten, den Aspekt der Fehlerhaftigkeit in Frage zu stellen, beispielsweise aus Schutzimpuls der eigenen Berufsgruppe gegenüber.

Verlässlichkeit Ebenfalls für die Weiterbehandlung enorm wichtig und eng verknüpft mit dem Bedürfnis der Patienten nach Sicherheit ist Verlässlichkeit. Für die Patienten besonders wichtig ist hier, große Sorgfalt auf klare Absprachen und ihre Einhaltung zu legen.

Verhalten deutenDarüber hinaus spielt eine große Rolle, das Verhalten von traumatisierten Patienten richtig zu deuten. Beispiele hierfür: Vermeidungsverhalten oder fehlende Compliance nicht als Verweigerung der eigenen Person oder des eigenen Handels persönlich zu nehmen; bei Auftreten von Aggressivität zu erwägen, dass dies Ausdruck von Angst oder Unsicherheit resultierend aus vergangenen Erlebnissen sein kann; Kontrollverhalten von Patienten auch als Versuch zu sehen, das eigene Sicherheitsgefühl zu stärken.

All dies kann sich deutlich verstärken, wenn Patienten nach einem Behandlungsfehler erneut schlechte Erfahrungen mit Behandlern machen und aus einem einmaligen Trauma im ungünstigen Fall eine mehrfache Traumatisierung wird.

Betroffene kontaktierenEine weitere Besonderheit ergibt sich auch in Bezug auf den Zugang zu Betroffenen: Die traumatisierten Menschen, die aufgrund ihrer Erfahrungen Behandler grundsätzlich meiden, obwohl sie eigentlich medizinischer Hilfe bedürften, leben oft abseits des Gesundheitssystems. Menschen, die sich unter Umständen monate- oder gar jahrelang mit Symptomen plagen und dabei Chronifizierung oder Verschlechterung riskieren. Hier sind niederschwellige Angebote nötig, um Betroffene zu identifzieren und Hilfe zu ermöglichen.