Trauma bei Behandlungsfehlern
Die Besonderheiten eines Traumas im medizinischen Kontext und
bei fehlerhafter Behandlung

Ein Trauma, das im medizinischen Kontext im Zuge einer Behandlung
erlebt wird, hat im Vergleich zu anderen Traumata eine ganz eigene
Dimension.
Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass aufgrund der
Behandlungssituation, in deren Rahmen ein solches Ereignis immer
stattfindet, die körperliche und / oder seelische Unversertheit
betroffen ist: weil sie es schon war, durch das Ereignis
beschädigt wurde und der Schaden zumindest eine Zeitlang, wenn
nicht dauerhaft fortwirkt. Hinzu kommt, dass es eine
selbstbestimmte Rückzugsmöglichkeit, wie sie sonst als "Erste
Hilfe" für die Schock- und Einwirkphase nach einem Trauma als
wichtig erachtet wird, oft genug nicht gibt.
Traumatische Situationen im medizinischen Kontext können sowohl
akut lebensbedrohliche Situationen wie Herzinfarkt oder
Schlaganfall sein, oder die Mitteilung einer schweren, unter
Umständen lebensbedrohlichen Erkrankung wie Krebs oder AIDS, die
plötzlich tief in die Lebensgewohnheiten und Perspektive
eingreift.
Trauma nach BehandlungsfehlerStellt
sich heraus, dass der körperliche Schaden, den man erlitten hat,
durch einen Fehler während der Behandlung passiert ist, sind
Patienten mit einem von Menschen gemachten Trauma konfrontiert.
Plötzlich sehen sie sich in einer Situation, die schon aufgrund
der Anforderungen in unterschiedlichen Dimensionen kaum zu
verarbeiten ist: Die Auseinandersetzung mit dem eingetretenen
Gesundheitsschaden, der in der Regel zum vorhandenen noch hinzu
kommt; die Verarbeitung, dass in einer Behandlungssituation, die
eigentlich heilen sollte, Schaden eingetreten ist. Die
Auseinandersetzung damit, dass Arzt plötzlich Schadensverursacher
ist.
Insbesondere wenn akut medizinische Versorgung notwendig ist,
greift ein weiterer erschwerender Faktor: Eine solche Behandlung
bedeutet, unter Umständen auch in dieser Phase erneut Eingriffe an
seinem Körper zulassen zu müssen. Medizinische Eingriffe, die
eigentlich ihrer Natur nach "erlaubte Körperverletzungen" sind, zu
deren Erlaubnis die Psyche in dem Augenblick aber eigentlich nicht
in der Lage ist. Wie ist dieser Fehler überhaupt einzustufen? Ist
es einer, der als "menschlich" und damit tolerierbar eingestuft
wird? Oder liegen schwer wiegende Ursachen zu Grunde? Oft müssen
Patienten in diesem Schockzustand entscheiden, ob sie sich von dem
gleichen Team am gleichen Ort überhaupt noch behandeln lassen
wollen und gar Maßnahmen getroffen werden müssen, die zur
Absicherung der Folgeschäden dienen.
Das Trauma nach dem TraumaTreffen
Patienten in dieser hoch belasteten Situation statt auf
Unterstützung und Offenheit auf Mauern, Leugnen, werden im Stich
gelassen, droht eine tiefe Erschütterung, die weit über die
Einzelsituation hinaus gehen kann. Ganz besonders schwer wiegt,
wenn die Glaubwürdigkeit angegriffen wird und sie zusätzlich noch
um die Wahrheit kämpfen müssen. Diese Situation ist für die
Betroffenen, die auch Anghörige sein können, häufig wie ein
zweites Trauma, das oft sogar noch schlimmer erlebt wird, als der
eigentliche Fehler. Die Folge kann sein, dass Patienten generell
das Vertrauen in Behandler verlieren, Ärzte meiden, Behandlung
verweigern - und dadurch zusätzlich zum psychischen Schaden auch
die physischen Folgen dieser Nicht-Behandlung tragen müssen.
Traumafolgen, die bei anderen traumatischen Ereignissen auch
auftreten, haben hier sofort eine andere Dimension, weil sie jene
Berufsgruppe betreffen, die gleichzeitig auch zukünftig wieder für
Hilfe steht. Zeigen Patienten Symptome wie Vermeidung, Wut,
Erregbarkeit, die sonst als Reaktion auf ein erlittenes Trauma als
normal, verständlich wahrgenommen werden und im Zweifel, sogar ein
Hilfsangebot auslösen würden - wird dies im medizinischen Alltag
meist nicht mehr als normal angesehen, persönlich genommen,
erzeugt eine Ablehnung gegenüber dem unter Umständen nur noch als
"schwieriger Patient" wahrgenommenen Betroffenen.
Erschwerend kommt für diese Patienten hinzu, dass
Psychotherapeuten als jene Fachgruppe, die für profesionelle
Unterstützung in dieser Situation zuständig sind, das Problem
allenfalls in Ansätzen erkannt haben; möglicherweise deshalb, weil
das Bewusstsein für eine Fehlerkultur noch weit weniger entwickelt
ist als unter Medizinern.