Stigma Behandlungsfehler - eine Begriffsklärung

Warum "Stigma Behandlungsfehler"

Fischerboot Ein Stigma ist ein Wundmal, eine dauerhafte Verletzung - wie  jene seelische Verletzung, die ein Behandlungsfehler unter Umständen verursacht. Stigma steht aber auch für die Stigmatisierung, die im Zusammenhang mit Behandlungsfehlern Patienten wie Ärzte betreffen kann.

Ein wichtiger Grund, warum es zu dieser Stigmatsierung überhaupt kommt, ist die derzeit bestimmende Defintion eines Behandlungsfehlers, die sich fast ausschließlich über Haftungsfragen definiert: Behandlungsfehler ist das, was sich als solcher juristisch nachweisen lässt. Schaden ist das, was sich unmittelbar kausal belegen lässt. Alles andere fällt aus dem Raster der Betrachtung und dem Aktionsradius heraus.

BehandlungsfehlerDie hier zu Grunde liegende Auffassung von Fehlern ist eine andere, die ganz im Sinne einer Fehlerkultur steht und die ethische Verantwortung des Handelnden im Blick hat: Im Vordergrund steht der vermeidbarer Schaden, der die Folge einer Handlung (oder Nichthandlung) ist. Die juristische Dimension spielt nur eine nachrangige, keine zwingende Rolle.

Zentraler Ausgangspunkt ist die Behebung des Schadens und die Vermeidung künftiger Schäden, körperlicher wie seelischer. Eine solche Haltung bedeutet, offen zu sein für eigene Fehler und die des eigenen Systems, damit diese sichtbar werden, um aus ihnen lernen und sie dadurch vermeiden zu können. Eine solche Haltung bedeutet aber auch, rigoros gegen jene Fehler vorzugehen, bei denen ein Schaden des Patienten billigend in Kauf genommen wird oder die gar aus Eigennutz oder anderen unlauteren Motiven entstehen.

Stigmatisierung Der derzeitige Umgang mit Fehlern und die "haftungsbeschränkte" Wahrnehmung von Behandlungsfehlern baut Fronten auf zwischen Ärzten und Patienten. Statt offenem Umgang wird Leugnen und Umdeuten gefördert, Fehler werden eher vertuscht, als sichtbar gemacht. Patienten müssen um ihr Recht kämpfen und treffen auf Ablehnung oder werden gar als "Nestbeschmutzer" diffamiert.

Das wirkt sich nicht nur auf eine eventuelle juristische Auseinandersetzung aus sondern vor allem auch auf die Nachbehandlung eines physischen oder psychischen Schadens oder kann letzteren möglicherweise gar auslösen oder verschlimmern. Patienten, die nach der Erfahrung Behandlungsfehler Schwierigkeiten haben, sich wieder auf eine Behandlung einzulassen, werden alleine gelassen. Eine fachgerechte, auf die besonderen Anforderungen ausgerichtete psychotherapeutische Betreuung gibt es systematisch nicht.

Oft unbeachtet auch die Stigmatsierung der Behandler. Mediale Stigmatisierung erfahren Ärzte, wenn selbst seriöse Medien das Thema überwiegend reißerisch unter der Schlagzeile "Ärztepfusch" aufgreifen; im Krankenhaus, weil das offene Bekenntnis dort oft unerwünscht ist oder tabuisiert wird; gegenüber Versicherungen, deren Druck manch eigentlich gewolltes Verhalten verhindert; ebenso im Kollegenkreis, weil "man" darüber nicht unbedingt offen spricht.

Ansätze von Fehlerkultur und Kommunikation über Fehler finden meist nur anonym statt. Auch für die psychischen Folgen, die ein schwerer Behandlungsfehler auf die Behandler haben kann, gibt es keine adäquate Unterstützung.